Texte Anonymer oder

Unbekannter Verfasser

 

Passantenzettel am Tor der Hölle

 

Frühmorgens zehen Advokaten

Zu Pferd, acht Schreiber hinterdrein,

Darauf ein Herr mit runden Waden,

Soll gar ein Hum! gewesen sein.

 

Mittags ein Jud, drei Rezensenten,

Drauf acht besoffene Studenten,

Ein gar fürnehmer Herr hopp hopp

Im majestätischen Galopp.

 

Nach Mittag mit zerzausten Haaren

Ein Heer versoffener Husaren,

Voran Sn. Gnaden Herr Major –

 

Zuletzt – doch nur gemach, ihr Herren!

Will’s denn zum Jüngsten Tage währen?

Und plötzlich fiel der Schlagbaum vor.

 

 

 

 

 

An die hoch aufgeblasene Murmille

 

Prahl sacht! Murmille! sacht! mit deinem stolzen Tollen,

Wormit dein albern Haupt so närrisch ist gekrönt,

Der allgemeine Ruf hats längstens ausgetönt,

Daß deine Glatze sei bedeckt mit fremden Krollen,

 

Und daß sie rund und aufgeblasne Bänderrollen

Von einem Trödler sind geborget und entlehnt.

Wie billig wirst du denn verlacht und ausgehöhnt,

Ob schon du noch so dick von Hoffart angeschwollen;

 

So recht, so muß es gehn den aufgeschwänzten Pfauen,

De ihren Affenkopf bis in die Wolken bauen,

Und wie viel Ellen noch zu ihrer Höhe setzen.

 

Doch willst du, Närrin! dich an Hoheit recht ergetzen,

Und höhers Ansehn noch, als wie du hast, erjagen?

Darfst du auf deinem Kopf nur Eselsohren tragen.

 

 

 

 

 

Allegorisches Sonett

 

Amanda, liebstes Kind, du Brustlatz kalter Herzen,
Der Liebe Feuerzeug, Goldschachtel edler Zier,
Der Seufzer Blasebalg, des Trauerns Löschpapier,
Sandbüchse meiner Pein und Baumöl meiner Schmerzen,


Du Speise meiner Lust, du Flamme meiner Kerzen,
Nachtstühlchen meiner Ruh, der Poesie Klistier,
Des Mundes Alekant, der Augen Lustbrevier,
Der Komplimenten Sitz, du Meisterin der Scherzen.


Der Tugend Quodlibet, Kalender meiner Zeit,
Du Andachtsfackelchen, du Quell der Fröhlichkeit,
Du tiefer Abgrund du voll tausend guter Morgen,


Der Zungen Honigseim, des Herzens Marzipan,
Und wie man sonsten dich mein Kind beschreiben kann.
Lichtputze meiner Not und Flederwisch der Sorgen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer andern Weisheit weist, und sich auch selbst bemüht,

Daß er den Regeln folgt, die er pflegt vorzuschreiben,

Der ist ein Stein, an dem sich zwar die Säue reiben

Doch steht er fest und lacht, wenn er Phantasten sieht,

 

Da einer hier und dort sich um die Kappe zieht,

Und läßt durch eiteln Ruhm sich den Verstand betäuben.

Der Kluge Geghentheil wird unverändert bleiben.

Aus Glück und Unglück macht er keinen Unterscheid.

 

Die Wahrheit ist sein Pfund. Die Redlichkeit sein Schatz.

Er lebet, wie r lehrt. Bey ihm hat Schmeycheley,

Der Sclavern beste Kunst, noch irgend Pralerey

 

Und äusserlicher Schein, nicht den geringsten Platz.

Ein solcher Ehren Mann ist nun der Herr Thomas,

Und wers nicht glauben will, der thu ihm sonsten was.

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf die Polnische Wahl Königs Augusti II.

 

Der goldne Apffel fiel von der Sarmaten Crohn,

Und ward durch Eris Hand an einer eisern Stangen,

Bey dem Turnier und Kampff der Götter aufgehangen

Mit dieser Uberschrifft: dem Tapfersten zum Lohn.

 

Kaum aber war’s geschehn, so suchte Venus schon

Mit Vortheil von dem Preis für Franckreichs Staat zu prangen,

Die Juno den Gewinst für Deutsche zu erlangen,

Und Pallas den Genuß für Printzen von dem Thron.

 

Doch als schon beyderseits darhinter hin gegangen,

Und Venus List und Glantz die Parides gefangen,

So kam von ohngefehr des Matis großer Sohn,

 

Und da sich vor der Wahl die kleinen Söhne drangen,

Auch eifrig und verblend nach Eris Apffel rangen,

So ließ er solchen stehn, und nahme sich die Crohn.

 

 

 

 

Uber ihre Hand

 

Mich rührte deine Hand, Dorinda, neulich an,

Und rührte mir zugleich mein unverliebtes Hertze.

Allein was hat sie wol, so dieses würcken kan?

Ist sie von weissem Wachs, aus welchem Amors Kertze?

 

Hat sie die süsse Kraft der Blumen in dem Mertze?

Hat sie den hellen Glatz, mit dem der Venus Schwan,

Und das beliebte Thier – Ihr Täubgen angethan?

Ist sie der Venus Hand, gewehnt zu Lieb und Schertze?

 

Ja; oder wenigstens von einer gleichen Art.

Sie kan mein stählern Hertz als Wachs geschmoltzen weisen,

So zwang der Cypris Hand den Mars in Stahl und Eisen.

 

Jedoch ich zweifle noch, weil jetzt mein Sinn befahrt,

Sie wird nicht, wie die Hand der Venus ihren Helden,

Mir einen Platz bey ihr zu meiner Lust vermelden.

 

 

 

 

 

 

An einen seiltäntzer

 

Beschreite der lüffte zerflossene bahn,

Verwandle die glieder in segel und flügel,

Dein Pegasus schwinge sich über die hügel,

Und trete herunter in Acherons kahn,

 

Streck alle die kräffte des leibes noch an,

Und löse der schenkel gebundene zügel,

Dein wackelfuß renne mit offenem bügel

Viel schneller als irgend ein westwind gethan.

 

So webet Arachne die netze zusammen,

So drehet und endert ein irrsal den gang,

So pflegen die palmen verschrencket zu stammen,

 

So mischt sich der vielmals vermengete klang.

Diß springen, diß treten, diß rencken und schwencken

Kan alle gebeine wie räderwerck lencken.

 

 

 

 

 

 

 

 

So muß denn stets das Herrlichste vergehen,

Vom Sturm der Zeiten frech hinweggerafft?

So kann das Edle dauernd nie bestehen

Der Tod verdirbt, was schön das Leen schafft.

 

Auch du nicht mehr! – Fahr wohl! In Himmelshöhen

Lebt frei dein Geist; frei von des Körpers Haft

Wird dort der Dichtkunst Athem dich umwehen,

Das Herz versöhnen, läutern deine Kraft.

 

Nie bin ich, dir begegnet hier im Leben,

Gern hätt’ ich dir als Freund gereicht die Hand

Ich weiß gewiß, wir hätten uns erkannt.

 

Ermuthigt hätte mich dein kühnes Streben,

Bestärkt dein Mut, dem Höchsten zugewandt

Mit dir zu wandeln nach der Dichtkunst Land.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ja wärst Du nicht mein Gott, wie könnt die Qualen

der armen Schöpfung ich Dir je verzeihn?

Ja, wärst Du nicht mein Gott, ich wollte speien

und Not mit Hass und Schmerz mit Bosheit zahlen.

 

Da wir uns Deinem Schutze anbefahlen,

gabst Du und preis, und da wir aufwärts schreien,

bleibst Du uns taub, und da wir uns kasteien,

verbirgst Du Dich in ungewissen Strahlen.

 

Ja, wärst Du nicht mein Gott! wärst Herr von Knechten,

wärst Kirchenbild und Spielzeug für die Dummen,

ich wäre mir zu gut nur Dein zu denken.

 

Du bist mein Gott! und darum muss ich rechten,

und darum zweifeln, spotten und Dich kränken,

und darum an Dich glauben und verstummen.